Du fragst dich, ob es normal ist, dass dich dein Job nicht wirklich erfüllt? Gastautor Ben Korbach gibt dir die Antwort darauf und erklärt was es mit der ominösen „Quarterlife Crisis“ (Sinnkrise junger Menschen) auf sich hat.
NEIN! Es ist nicht normal einen Job zu machen, der dich unglücklich macht!
(Auch wenn es für alle in deinem Umfeld scheinbar normal ist.)
Januar 2015, Zwiegespräch in meinem Kopf:
- Vernunft: Warum kannst du nicht einfach glücklich sein? Du hast doch alles!
- Herz: Alles? Was meinst du denn mit alles? Ich mache jeden Tag irgendeinen Quatsch, der mir überhaupt nichts bedeutet und der niemandem etwas bringt. Ob ich das heute, morgen oder nächste Woche mache ist völlig egal.
- V: Na ist doch super: Kein Stress. Oder hättest du gerne mehr Deadlines?
- H: Nein, natürlich nicht. Aber mehr Sinn.
- V: Ach, du wieder mit deinem Sinn. Nimm doch das Geld, das du verdienst und mach damit was Sinnvolles.
- H: Dann vergeude ich aber immer noch die meiste Zeit mit irgendeinem Quatsch. Meine Zeit ist zu wertvoll dafür, verstehst du das nicht?
- V: Sag mal was willst du eigentlich? Glaubst du wirklich, dass es einen Job gibt, der nicht stressig ist, viel Sinnvolles erschafft, Spaß macht und obendrein noch gut bezahlt wird? In welcher naiven Traumwelt lebst du eigentlich? Will der gnädige Herr nebenbei vielleicht auch noch am Strand leben?
- H: Ja! Endlich hast du es begriffen. Das ist genau das, was ich mir vorstelle.
- V: Mach dich bitte nicht lächerlich! Und selbst falls es so einen Job gibt: Was meinst du, wie viele sich darauf bewerben? Die warten quasi nur darauf, dass du mit deiner Bank-Erfahrung da um die Ecke kommst. NICHT!
- H: Du gehst mir auf die Nerven.
- V: Du mir auch. Du bist jetzt nun einmal Banker, finde dich besser damit ab, so wie alle anderen deiner Kollegen auch. Sonst werden das verdammt harte 40 Jahre.
Kommt dir das in der einen oder anderen Form bekannt vor?
Dieses und ähnliche Gespräche hatte ich so oft, dass es am Ende schon einer gespaltenen Persönlichkeit glich. Ja, die Zeit war ganz schön anstrengend!
Noch schlimmer wurde die Situation aus zwei Gründen:
- Eigentlich, also rein rational auf dem Papier, hatte die Vernunft ja Recht: Ich hatte alles, um glücklich zu sein: Einen gutbezahlten Job, nicht zu viel Stress, die Wertschätzung von Chef und Kollegen, coole Freunde, eine gesunde Familie, Aufstiegschancen, etc. Andere wären mit diesem Leben übertrieben glücklich gewesen, nur mir ging es damit miserabel. Und genau dieses Fehlen von offensichtlichen Gründen hat die Situation paradoxerweise noch schlimmer für mich gemacht.
- Keiner meiner Kollegen oder Freunde schien mich wirklich zu verstehen. Sie hatten ihr Leben scheinbar alle im Griff. Oder sich zumindest damit abgefunden. Immer wenn ich davon sprach, dass es da doch noch mehr geben muss, dachten sie, dass ich von einer Beförderung spreche.
Die Quarterlife Crisis: Sinnkrise junger Menschen
Schnellvorlauf: Wir schreiben März 2019. Durch Zufall stolpere ich über den Begriff „Quarterlife Crisis“: Was soll das denn sein?
Nach einer kurzen Recherche wird mir schnell bewusst, dass es genau das ist, was ich damals hatte: Tiefes Gefühl der Sinnlosigkeit in den ersten zehn Jahren des Studiums / Arbeitslebens.
Der Begriff wird jedoch kontrovers diskutiert: Die einen, hauptsächlich älteren Semester, sehen darin eine Legitimation der jungen Generation, wehleidig und faul zu sein, die ganze Zeit Computer zu spielen (oder was die Jungen heutzutage halt so machen) und damit all die Chancen, die ihnen von den „Alten“ geschenkt wurden, mit Füßen zu treten. Die anderen, hauptsächlich jüngeren Semester, berichten von eigenen Erfahrungen, die von Antriebslosigkeit über eine tief empfundene Sinnlosigkeit bis hin zu körperlichen Symptomen wie Panikattacken und Depressionen reicht.
Was jedoch klar ist: Allein die Tatsache, dass es den Begriff überhaupt gibt, hat etwas zu bedeuten. Nur was? Ist er ein Ausdruck verweichlichter, junger Menschen, die einfach zu verwöhnt sind, um in einem an sich guten (Arbeits-) Umfeld klarzukommen? Oder ist er Ausdruck von einem kaputten und schädlichen (Arbeits-)Umfeld, das mehr und mehr junge Menschen krank macht?
Ich bin kein Fan von Schwarz-Weiß-Malerei, denn sind wir mal ehrlich: Wer danach sucht, findet Belege für beide Sichtweisen. Aber da es im Leben immer so ist, dass man das findet, wonach man sucht, bringt uns das hier nicht weiter.
Daher lasst uns da anders herangehen:
Studie zur Quarterlife Crisis: Mehr als die Hälfte der britischen Jugendlichen betroffen
Mehr als die Hälfte der Befragten sieht also keinen Sinn in dem, was sie tun! Noch krasser wird es, wenn man die Erkenntnisse von dem Psychologen und Sinn-Forscher Viktor Frankl hinzuzieht. Wer laut Frankl keinen Sinn im eigenen Leben findet, der wird kein glückliches und erfülltes Leben führen können. Je sinnloser das eigene Leben also erscheint, umso wahrscheinlicher werden sogar psychische Krankheiten bis hin zu Depressionen.
Alleine aufgrund der Studie und den Ergebnissen von Frankl ist die Quarterlife Crisis also nicht einfach so wegzuwischen. Auf dieser Grundlage sollten wir jedoch eine Frage stellen, die noch viel wichtiger ist:
Gibt dir dein Job mehr, als er dir nimmt?
Wir Menschen sind eigentlich einfach gestrickt. Zumindest gibt es ein paar Prinzipien, die elementar sind und für jeden gelten. Nur leider lernen wir diese nicht in der Schule. Um die Quarterlife Crisis zu verstehen, ist es jedoch wichtig, sich zwei dieser Prinzipien einmal genauer anzuschauen:
- Jeder Mensch hat Werte und Überzeugungen. Ob du dir deiner eigenen Werte nun bewusst bist oder nicht, sie sind ein Teil von dir und beeinflussen dein Leben massiv. Ich selbst habe zum Beispiel einen ausgeprägten Drang nach Freiheit, weshalb ich mich in den engen Strukturen der Bank unwohl gefühlt habe. Ein anderer Mensch mit starkem Sicherheitsdrang wäre mit all der Unsicherheit, die Freiheit mit sich bringt, überfordert.
Hast du das Gefühl, dass du in deinem Leben nach deinen eigenen Werten und Überzeugungen leben kannst? Das Problem mit den Werten ist, dass kaum einer seine eigenen Werte kennt, geschweige denn nennen kann. Jeder fühlt sich jedoch elend, wenn er längere Zeit gegen die eigenen Werte handelt. Die Integrität leidet darunter und das bedeutet unter dem Strich, dass man selbst leidet.
- Jeder Mensch möchte wachsen und auf dem Pfad seiner Werte zu einer besseren Version von sich selbst werden. Alles in der Natur verändert sich stetig, wächst, vergeht und entsteht neu. Auch mit unseren Wolkenkratzern und Smartphones sind wir immer noch ein Teil dieses Prozesses. (Falls du das mal vergessen solltest, gehe einfach tief in die Natur, allein, ohne Smartphone, atme tief durch und spüre, wie gut dir das tut.)
Hast du das Gefühl, in die von dir gewünschte Richtung zu wachsen? In was für eine Art Mensch wirst du dich entwickeln, wenn du die nächsten Jahre so weiter machst? Gibt es dafür vielleicht Beispiele in deinem Leben?
Um wieder den Bogen zur Quarterlife Crisis zu schlagen: Viele junge Menschen fühlen sich deswegen elend, da einer dieser beiden Aspekte nachhaltig verletzt wird. Wichtig ist dabei, dass es hierbei kein generelles „richtig oder falsch“ gibt. „Verletzt“ heißt in dem Fall, dass die selbst gesteckten Standards verfehlt werden. Was die ganze Situation so schwer greifbar macht, ist, dass viele diese eigenen Standards gar nicht kennen und so beeinflussen sie ungesehen das eigene Leben und Wohlbefinden. Die Folge ist eine Situation, wie ich sie zu Beginn geschildert habe: „Eigentlich habe ich doch alles, um glücklich zu sein. Wieso geht es mir also miserabel?“ Die Antwort ist aus der Perspektive auch klar: „Weil du all das hast, wovon die Gesellschaft sagt, dass es dich glücklich macht und wenig davon, was du ganz persönlich benötigst, um glücklich zu sein.“
Fazit: Du kannst die Quarterlife Crisis für dich nutzen!
Die Quarterlife Crisis ist real, 1,7 Mio. Ergebnisse auf Google sprechen für sich. Ob du dieses Label nun dafür nutzt, um die Jungen schwach oder das System kaputt zu nennen, musst du selbst entscheiden. Ausschlaggebend wird sicher deine eigene Erfahrung sein und es wäre schön, wenn du dabei folgendes im Hinterkopf behältst: Sich einen Sinn im eigenen Leben zu wünschen hat nichts mit esoterischem Gehabe zu tun, sondern ist ein elementarer Bestandteil der menschlichen Natur.
Mehr noch: Falls du dich von diesem Artikel oder auch von dem Zwiegespräch zu Beginn angesprochen fühlst, dann könnte es sehr gut sein, dass in deinem Leben gerade etwas nicht nach deinen eigenen (unbewussten) Vorgaben läuft. Wenn du dich also schlecht fühlst, ist es ein bisschen so, wie wenn du die Hand auf die heiße Herdplatte legst: Ja, das tut weh. Daher änderst du dein Verhalten und schützt damit deine Gesundheit. Denn Schmerz ist erst einmal nichts Schlechtes. Auch sich miserabel zu fühlen ist erst einmal nichts Schlechtes, beides hat seinen Sinn und Zweck: dir zu zeigen, dass etwas nicht richtig läuft.
Mit dieser Perspektive haben schon viele Menschen die Quarterlife Crisis am Ende sogar nutzen können. Ich selbst bin einer dieser Menschen. Heute bin ich froh und dankbar dafür, dass es mir damals in der Bank so schlecht ging. Denn wer weiß, vielleicht wäre ich ohne diese Gefühle noch immer dort und nicht dort wo ich hingehöre: Auf meinem ganz persönlichen Lebensweg.
Über den Autor
Nach 11 Jahren in einer Bank konnte er sich endlich eingestehen, dass er dort nicht hingehört.
Heute reist Ben Korbach zusammen mit seiner Frau um die Welt, während er Unternehmen als Strategie-Berater zur Seite steht und ihnen zeigt, wie sie die Geheimnisse von Storytelling für die eigene Markenkommunikation nutzen können.
Auf seinem Weg zum digitalen Nomaden hat er einige Ups and Downs durchgemacht, von denen er ebenfalls berichtet. Ein großer Bereich ist das Thema Quarterlife Crisis, die ihn erst dort hingebracht hat, wo er heute ist:
Auf seinem ganz persönlichen Lebensweg.
Hier kannst du mehr über Ben erfahren.
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